In diesem Artikel möchte ich anhand einer tragischen MOB-Situation an Bord der deutschen Jacht SY Ina 2 beleuchten, welche Möglichkeiten dem geneigten Segler zur Verfügung stehen, um Überbord gefallene wieder an Deck zu hieven. Das dieses Unterfangen mit unter eher sehr schwierig ist, zeigt z.B. auch der Unfall an Bord der SY Muck III wo es der Crew nicht gelang, den rund 2 Zentner schweren überbordgegangenen Skipper an Deck zu ziehen. Selbiger konnte nur noch tot geborgen werden, nachdem die Jacht das ca. 2h entfernte Sonderborg erreicht hatte, obwohl zum Unfallzeitpunkt seichtes Wasser mit Stehtiefe keine halbe Stunde entfernt gewesen ist. Wie dem auch sei, die hier betrachtete MOB Situation spielt sich bei Windstille, platter See und auch ansonsten guten Wetterbedingungen an einem ersten Mai in der Ostsee ab. Die Crew besteht aus zwei Personen, dem Skipper und einem Mitsegler, die sich beide recht gut kennen und schon öfter zusammen unterwegs waren. Beide tragen ob der ruhigen Wetterverhältnisse keine Rettungswesten. Da der Wind eingeschlafen ist fährt man unter Maschine, der Mitsegler birgt die Segel und der Skipper geht Ruder. Als der Mitsegler gerade das Großsegel birgt, hört er den Skipper verzweifelt seinen Namen rufen und eilt sofort zum Heck wo er den Skipper vorfindet, wie er sich von aussenbords halb im Wasser am Seezaun festhält. Obwohl die Maschine augenblicklich gestoppt wird, gelingt es dem Mitsegler nicht den Skipper wieder an Bord zu ziehen oder Ihn zu sichern. Der Skipper entgleitet dem Mitsegler und geht vollständig in den Teich, woraufhin der Mitsegler sofort ein Mann-über-Bord Manöver unter Maschine fährt und schnell wieder zum Skipper zurückkehrt. Dort angekommen gelingt es Ihm zwar, den Skipper per Bootshacken ans Schiff zu ziehen und zu sichern, allerdings schafft er es nicht den mittlerweile leblosen (nach ca. 2-3 Minuten!!!) Körper an Deck zu ziehen. Daraufhin sichert er den Körper provisorisch mit einer Schot an der Badeleiter und ruft dann auf Kanal 16 um Hilfe. Nach 20 Minuten ist als erstes ein BGS Schiff zur Stelle, die Enforcer 2, welche längsseits geht und mit 2 Mann zur Ina übersetzt um zu helfen. Auch diesen beiden gelingt es nicht, den Verunfallten wieder an Deck zu ziehen, und so wird dann die Waschpo um Hilfe gebeten, die einige Minuten später mit einem Tochterboot der Warnow zur Stelle ist, um den mittlerweile wieder im Wasser treibenden Körper nun endlich zu bergen und auf die Warnow zu bringen. Der per SAR-Hubschrauber eingeflogene und auf die Warnow abgewinschte Rettungsarzt setzt die Wiederbelebungsmaßnahmen zwar fort, kann aber später nur noch den Tod des 69-jährigen Skippers feststellen. Später wird sich im Zuge der Obduktion herausstellen, das der Verstorbene herzkrank war und einen Blutalkoholwert von 2,29 ‰ hatte…
Krasse Geschichte, tragisches Ende. Das muss man sich mal zu Gemüte führen, bei spiegelglatter See und Windstille… Als äusserst ungünstige Faktoren sehe ich, dass der Skipper vollständig besoffen auf See war, das ist immer blöd und gefährlich, auch bei Flaute. Sehr ungünstig dürfte sich auch der Fakt ausgewirkt haben, dass er herzkrank war. Das gehobene Lebensalter des Schiffsführers darf auch nicht ganz unbeachtet bleiben, denn all diese Faktoren beeinflussen die Überlebenszeit im Wasser doch erheblich. Als entscheidende Faktoren werden in der einschlägigen Fachliteratur Alter, körperliche Fitness, Gesundheitszustand, Alkohol und Bekleidung genannt. Anfang Mai ist das Wasser der Ostsee wirklich noch eher kalt, so dass dem Körper sofort nach eintauchen das äußerste abverlangt wird. Im unteren Temperaturbereich sagt man, pro Grad Wassertemperatur habe man eine Minute Überlebenszeit. In dieser Situation herzkrank, fast 70 Jahre alt und total besoffen zu sein ist das absolute worst case scenario. So erklärt es sich wohl auch, dass binnen kürzester Zeit keine Lebenszeichen mehr vom Überbordgefallenen zu vernehmen sind. Das ist der erste Part, den man beleuchten kann und daraus lernen sollte. Leider reklektieren sich sehr viele Menschen nicht ausreichend selbst oder ziehen nicht die notwendigen Schlüsse daraus. Wenn man weiß, das man herzkrank ist sollte man sich auf See insgesamt sehr vorsichtig bewegen und seine eigene Leistungsgrenze stets im Blick haben. Genauso sollte man klar vor Augen haben, dass man bei kaltem Wasser mit aller Wahrscheinlichkeit nicht einmal das Eintauchen überleben wird, und sich um so sicherheitsbewusster verhalten und niemals unangeleint herumspatzieren, schon gar nicht beim Pinkeln. Aber am allerwenigsten sollte man mit 2,29 ‰ zur See fahren, weil dieser Zustand Missgeschicke, Fehleinschätzungen und Unfälle sehr wahrscheinlich macht. Leider haben die meisten Leute ein Leben lang in ganz normalen Berufen gearbeitet und nie ein Gefahrenbewusstsein entwickelt, und die sich daraus resultierende kritische Beleuchtung seiner selbst zu eigen gemacht. Ich kenne das unter anderem sehr gut aus der Industriekletterei (ich arbeite seit über zehn Jahren selbstständig, u.a. als Industriekletterer und Veranstaltungsrigger. Qualtifikationenen: FISAT Level 1, Level 2, Rettungsrigger, Ansclägerschein), wo man mit jedem Arbeitseinsatz sein Leben in die Hände des eigenen Materials und der eigenen Technik legt. Wenn man dort schlampig ist, einen Knoten verbaselt, einen Karabiner nicht richtig zudreht oder seine Seile nicht vernünftig nach dem letzten Einsatz auf Beschädigungen geprüft hat, kann es ganz schnell zu Ende sein. Daraus hat sich ein intensives Gespür für Gefahren entwickelt, ebenso wie eine sehr ehrliche Selbsteinschätzung denn das ist überlebenswichtig. Ich erzähle das, weil ich schon oft beobachtet habe, das sich speziell Menschen auf dem Wasser nicht bewusst sind, welche Gefahren und Risiken sie evtl. gerade in Kauf nehmen, und weil retrospektiv betrachtet die allermeisten sehr schweren Seeunfälle (also solche mit tödlichem Ausgang) auf Jachten vermeidbar gewesen wären.
Nun gut, widmen wir uns doch einmal den anderen Beteiligten, zuerst mal dem Mitsegler. Direkt in der fraglichen Situation, als er dem Skipper, der sich noch von aussenbords selbst an der Reling festhalten konnte, zur Hilfe kommt, stellt er den Hebel der Maschine mit dem Fuss auf Leerlauf. Direkt nachdem der Skipper aussenbords gegangen ist, setzt er ein MOB-Manöver an, holt derweil einen Bootshaken vom Oberwant und ist binnen kurzer Zeit zurück an der Unfallposition. Er zieht den Verunfallten per Bootshaken ans Schiff und sichert Ihn provisorisch, nachdem er vergeblich versucht hat Ihn an Bord zu ziehen ruft er MRCC Bremen per UKW um Hilfe. Danach kehrt er zum Heck zurück, um den Kopf des Verunfallten über Wasser zu halten, und wartet ca. 20 Min bis das BGS Schiff vor Ort ist. Eigentlich alles vorbildlich, aber wieso kriegt er den Verunfallten nicht an Bord? Wie schon vorher erwähnt ist das der mit weitem Abstand schwierigste Teil eines MOB Falls. Wenn ein Verunfallter erstmal soweit geschwächt oder gar bewusstlos ist, das er nicht mehr bei seiner Bergung aktiv mitwirken kann wird es von Hand (also ohne Hilfsmittel oder Techniken) schwer bis unmöglich, den Körper das gesamte Freibord hinauf an Deck zu zerren. Deshalb ist dieser Unfallbericht der BSU auch so wertvoll, denn es werden verschiedene technische Hilfsmittel und Rettungstechniken vorgestellt, von denen wir viel lernen können. Die Lernbereitschaft an sich setzte ich mal vorraus, denn im Zweifelsfall ist es schließlich die eigene Frau, das eigene Kind, ein guter Freund oder Familienangehöriger, den wir vor dem sicheren Tod bewahren müssen…
Schauen wir uns mal die eher rudimentären Hilfsmittel an, begonnen mit einer ganz witzigen Erfindung aus England, dem sogn. Ein-Mann-Rettungsfloß
das die Funktionalität einer Markierungsboje und eines Rettungsflosses in sich vereint. Diese Gerätschaft läßt sich, da in einer Tasche gestaut wohl auch recht gut im Heckkorb installieren, von wo aus sie schnell einsatzbereit und ausgebracht ist. Sofern der Verunfallte noch bei Bewusstsein ist, muss er/sie jetzt nur noch ins Floß klettern und ist erstmal solange gesichert und vor weiterer Unterkühlung geschützt, bis die Jacht wieder an Ort und Stelle ist um die Person aufzunehmen. Auch stelle ich mir das Übersteigen aus diesem Floß aufs Schiff deutlich leichter vor, da man sich ja überhalb der Wasserlinie befindet und eine kleinere Distanz überbrücken muss.
Eine andere Möglichkeit, einen Überbordgegangenen der noch aktiv mithelfen kann, wieder an Deck zu bekommen, sind sogn. Rettungsnetze in verschiedenen Ausführungen (mit oder ohne festen Rahmen),
die man an Deck an ausreichend dimensionierten Punten anschlägt. Das erinnert dann schon ein wenig an das Theorie- und Praxiswissen, das einem im Rahmen der deutschen Segelscheine vermittelt wird, Stichwort aus Schoten improvisierte Leiter.
Doch was soll man im schlimmsten Fall tun, wenn wie im vorliegenden Fall die Person bereits bewusstlos ist, keine Weste trägt und nicht mehr aktiv mithelfen kann, das eigene Körpergewicht wieder an Deck zu bringen? Eine mögliche Lösung wäre, einen körperlich fitten Mitsegler am Schiff per Manntau zu sichern, damit dieser zur Person ins Wasser steigt um diese vor dem Ertrinken zu bewahren, z.B. mit einem Hufeisen Rettungsring, und der dann beim Bergen von unten mithilft.
Diese Methode kommt wohl von den Rettungsschwimmern, die sich mit der Rettung von Badenden beschäftigen und gebadet wird ja in aller Regel nur, wenn die Wassertemperatur recht hoch ist. Da wir ja aber zu fast allen Jahreszeiten mit Jachten auch auf offener See unterwegs sind, wird empfohlen bei einer solchen Aktion einen Überlebensanzug (sogn. Eintauchanzug)
zu tragen. Diese Methode halte ich von daher für absolut unhandig, als das ich noch nie einen Überlebensanzug an Bord einer privaten Jacht gesehen habe, weil diese einfach mal verflucht teuer sind. Desweiteren ist ein solcher ja auch nicht mal so eben korrekt angelegt, wobei dann äußerst wertvolle Zeit verstreicht (im vorliegenden Fall war der Verunfallte bereits nach 2-3 Min leblos!). Generell denke ich, dass niemand einem Überbordgefallenen ins Wasser folgen sollte, da man dadurch wenig bis gar nichts gewinnt und danach mit zwei zu Rettenden da steht. Es mag bestimmt Ausnahmesituationen geben, wo eine solche Maßnahe erforderlich wird, aber in der Regel würde ich von sowas gepflegt die Finger lassen. Auch muss man dafür eine ausreichende Crewstärke aufweisen, was oftmals ja auch nicht wirklich gegeben ist.
Ein weiteres, wie ich finde sehr nützliches Tool haben die Fachhochschulen Hildesheim/Holzmünden/Göttingen im Rahmen des Forschungsprojektes „Rescue Lifting System“ (RLS)
entwickelt. Es besteht aus einer Schwimm- und einer Sinkschlaufe, die man dem Verunfallten anlegt. Man kann mittels Handgriffen an den Schlingen die leblose Person entweder waagerecht in eine Rettungsinsel hieven, was aber mit größerem Kraftaufwand verbunden ist, oder aber in Kombination mit einer improvisierten oder festinstallierten Hebevorrichtung die Person direkt an Bord heben.
Klingt total gut, aber wie kann so eine Hebevorrichtung aussehen? Auch hier gibt es wieder mal die verschiedensten Varianten, sich der Physik und der vorhandenen Bordmittel zu bedienen. Die einfachste Variante wäre wohl, sich eines einfachen Falls zu bedienen, dass man in das RLS einhackt. Entweder gelingt es schon über das Anwinschen mit der Arbeitswinsch, den Verunfallten auf Decksniveau zu hieven, oder man macht sich den immens langen Hebel zu nutze, den das Fall nunmal hat. Wenn man per Winsch die Lose maximal aus dem Fall holt, und das Fall dann natürlich sicher belegt, kann man einfach das Fall in Richtung des Bugs vor sich her drücken und über die dadurch entstehende Verkürzung die Person an Bord kriegen. Ich habe einmal in einem Hafen gesehen, wie ein älterer Skipper auf diese Weise seinen schweren Rettungsinselcontainer vom Steg aufs Schiff gebracht hat, und war absolut fasziniert. Beim rumprobieren wiederum war ich erstaunt, mit welcher Leichtigkeit man große Lasten auf diese Weise heben kann. Alternativ könnte man genauso die komplette Großschot sowohl vom Fußblock als auch am Baum lösen, und diese unten ans Rettungsgerät und oben ans Großfall anschlagen, dann hat man eine deutlich verbesserte Kraftübertragung, je nach Großschottalje halt. Eine weitere Möglichkeit wäre natürlich die aus der deutschen Segelschein-Welt (Achtung, Wortspiel :-)) eigentlich bekannte Variante den Großbaum und die Großschot als Hebeinrichtung zu benutzen, indem man die Großschottalje am Fußblock aushackt und unter der Baumnock als hebenden Flaschenzug benutzt. Zur Verbesserung der Zugrichtung und damit der Kraftübertragung müsste man allerdings irgendwo, sei´s an einem Wand oder zur Not halt an einem Fall, einen Block als Umlenkung anschlagen, denn so zieht man nach unten und nicht nach oben. Jeder, der öfter mal mit den Händen arbeitet, weiß was ich meine… Diese Methode ist allerdings bei unruhiger See nicht ganz ungefährlich, da der Großbaum dann durch die Schiffsbewegungen wild hin- und herschlagen will und deshalb zusätzlich gesichert werden muss. Deshalb wird empfohlen, eine seperate Hebeeinrichtung, nur für diesen Zweck bestimmt fest zu installieren. Die BSU schlägt in diesem Fall die Verwendung des Höhensicherungsgerätes HRA der Firma IKAR vor,
welches eigentlich aus der Höhenarbeit stammt und entweder dazu verwendet wird, Höhenarbeit kontrolliert in die Tiefe abzulassen bzw wieder aufzuholen oder aber Hilflose Personen nach oben oder unten zu retten. Es verfügt über eine Fliehkraftbremse, falls unbeabsichtigt der Hebel losgelassen wird begrenzt diese die Fallgeschwindigkeit automatisch auf die sogn. ungefährliche Geschwindigkeit.
Das Gerät der Firma IKAR steht hier nur stellvertretend für die Gattung der sogn. Rettungsgeräte, die in der Höhenarbeit eine breite Anwendung finden. Eine andere Firma die Höhenrettungsgeräte herstellt ist beispielsweise Mittelmann Sicherheitstechnik mit dem RG 10.
Aus diesen Rettungsgeräten kann man sich ein festinstalliertes Hubsystem für den Rettungsfall installieren, das jederzeit einsetzbar ist:
Man muss dazu das Rettungsgerät am Mast montieren, braucht eine Umlenkung für die Kraftübertragung und einen frei laufenden Block, der bei Bedarf am Want eingehakt wird. Am unteren Seilende der Seilstrecke sollte sich ein Karabinerhaken befinden, um sich schnell in das RLS oder den Lifebelt einhaken zu können. Mit diesem System besteht die einzige, größere Schwierigkeit darin, die Jacht zurück zu der Verunfallten Person zu bewegen und diesen seitlich solange provisorisch zu sichern, bis man den Karabiner der Rettungsstrecke bei Ihm/Ihr eingepickt hat.Sofern die verunfallte Person einen Weste oder einen Lifebelt trägt, ansonsten wird´s natürlich komplizierter aber gleich mehr dazu. Der Rest sieht dann in etwa so aus:
Alternativ zu dem gesagten RLS kann man den Verunfallten, wie eben schon erwähnt, auch an der Öse eines Lifebelt anpicken. Jede automatische West hat heutzutage einen Lifebelt integriert, wenn aber der Verunfallte weder Weste noch Lifebelt trägt muss man einen Lifebelt improvisieren, was im folgenden Bild schematisch dargestellt ist:
Dabei gilt es allerdings zu beachten, das bei falscher Knotentechnik Strangulationsgefahr besteht, wenn eine unter Last stehende Schlaufe in die Halsregion rutschen sollte. Speziell das Improvisieren eines Lifebelts sollte daher intensiv geübt und erprobt werden. Ich persönlich verwende für diesen Fall wiederum Techniken aus der Höhenrettung. Entweder benutzte ich zwei Bandschlingen und einen Karabiner, oder ich knote einen Improvisierten Gurt aus einem doppelten Palstek.
Weitere mögliche Bergehilfen wären Rettungstragen,
die ich aber aufgrund Ihres, für kleinere Jachten, nicht unerheblichen Platzbedarfes auch eher unhandig finde. Für kleinere Schiffe gibt es ein sehr schönes und über dies einfaches, leicht zu stauendes System, das ein Segel zum Bergen benutzt: Das Bergesegel.
Dieses System ist aufgrund von vergleichsweise geringen Kosten, geringem Platzbedarf und leichter Bedienbarkeit mein Favorit. Ich habe die Erfahrung gemacht, das die Selgerszene vielfach aus Leuten besteht, die eine recht geringe Neigung besitzen Techniken zu lernen oder Material zu verwenden, die nicht aus der Segelei kommen, so z.B. beim Thema Knoten. Als Kletterer benutze ich einige Knoten, die in der Segelei eher unüblich, dafür aber gegenüber klassischen Segelknoten sehr effizient und handig sind. Dafür habe ich mir schon viel Kopfschütteln eingefangen, aber trotzdem funktioniert´s besser, schneller und effizienter als die Standardvariante. Doch dafür ist niemand, speziell die älteren Semester, offen. Da sehe ich einen großen Vorteil des Bergesegels, denn der Segler ist ja mit Segeln und dem Setzen derer an sich vertraut, von daher ist das nichts großartig neues, was Mensch erlernen muss. Im Klettern sagt man, ein System ist nur sicher, wenn es einfach, verständlich und unter allen Bedingungen anwendbar ist. Ansonsten hat man nichts gewonnen, denn wo viele Fehlerquellen verborgen sind oder der gebrauch unnötig kompliziert ist, sind Unfälle vorprogrammiert.
Generell habe ich einen völlig anderen Zugang zu diesem Thema, als der normale Segler denn ich verdiene mein Geld unter anderem damit, mich von Windkraftanlagen oder Hochhäusern abzuseilen, meine Arbeit vor Ort zu verrichten und danach entweder wieder zum Einstiegspunkt zurück aufzusteigen, oder mich zum Boden abzuseilen. Oder aber damit, dass ich die Sicherung, Erstversorgung und Höhenrettung von hilflosen Personen im Veranstaltungsbereich gewährleiste. Ich habe in der dafür erforderlichen Ausbildung gelernt, mich und die Rettungstechnik sowohl der jeweils individuellen Situation anzupassen, als auch mit dem Material zu arbeiten, was zu diesem Zeitpunkt verfügbar ist. Ganz zur Not kann ich mir aus zwei Bandschlingen und zwei Karabinern einen provisorischen Gurt nebst Abseilgerät (Gardaklemme) selbst bauen, zur ganz ganz großen Not auch aus einem Stück Seil knoten. Teil dieses Jobs ist u.a. das Erstversorgen, Stabilisieren und das anschließende Bergen von Schwerstverletzten aus Höhen und Tiefen innerhalb sogenannter begleiteter Tragenrettungen. Man lernt viel über Flaschenzüge, denn anders kriegt man einen Schwerverletzten auf der Trage gar nicht hochgezogen. Jedes mal, wenn man ins Seil steigt ist einem bewusst das man mit seinem Leben spielt, falls man seinem Material aufgrund mangelnder Eigenkontrollen nicht vertrauen kann, oder die verwendeten Techniken nicht sauber beherrscht. Ab einer Einsatzhöhe von 20m aufwärts ist einem das sowas von glasklar, unnötig zu erwähnen wie klar einem das bei Arbeitshöhen von über Hundert Metern so ist. Ich habe also ein Bewusstsein für Gefahren, aber auch für die technischen Möglichkeiten entwickelt, ich habe jahrelang trainiert und vertraue meiner Technik. Bezogen auf die Segelei wage ich es zu behaupten, das ich unter allen Umständen in der Lage bin, einen Überbordgefallen zu bergen, eben weil ich mich schon beruflich unfaßbar viel mit einer sehr ähnlichen Thematik beschäftigt habe. An Bord der Schiffe, mit denen ich unterwegs bin übe ich das durchaus auch…
In der Kletterei ist es überdies so, dass man als Inhaber eines Kletterscheines der FISAT jährlich an einer sogn. Wiederholungsunterweisung teilnehmen muss, wo man zum einen über evtl. Neuerungen bzgl. der Kletter- und Rettungstechniken aufgeklärt wird, zum anderen muss man in einer praktischen Prüfung eine Kollegenrettung erfolgreich vorführen, um seine Kletterschein zu behalten. In der Höhenarbeit gilt das Prinzip der Kollegenrettung, da die Einsatz- und Rettungskräfte in aller Regel nicht über die nötigen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen, um Personen aus der Höhe oder Tiefe zu retten. Die Dichte an Höhenrettungsstaffeln der Feuerwehr ist erschreckend gering, im Zweifelsfall gibt es dann Amtshilfe von der nächsten SEK Einheit, die eingeflogen wird. Bis dahin vergeht aber in aller Regel bis zu einer 3/4 Stunde, da der RTW alleine ja schon bis zu 20 Min braucht, um den Einsatzort zu erreichen. Da Verunfallte aber in max. 15 Min aus dem Seil gerettet sein müssen, weil spätestens dann der sogn. orthostatische Schock („Hängetrauma“), ein absolut lebensbedrohlicher Zustand, einsetzt muss immer mindestens in Zweierteams gearbeitet werden, um die gegenseitige Rettung zu gewährleisten. Hier sehe ich eine große Analogie zum Segelsport. Wenn wir uns nicht primär auf uns selbst und unsere Crew im Zuge einer Rettung verlassen, sondern planmäßig primär auf die Hilfe der Gesellschaft bauen, um Überbordgefallene wieder ins Trockene zu kriegen, wird viel zu viel Zeit vergehen und höchstwahrscheinlich der Tod durch Ertrinken oder Unterkühlung schon eingesetzt haben, wenn die Rettungsboote den Einsatzort erreichen. Wenn man die BSU Berichte aufmerksam studiert wird klar, dass dieses Szenario traurige Realität ist und erschreckend oft so passiert. Deshalb frage ich mich, warum in der deutschen Segelausbildung über den DSV zwar die Schiffsmanöver unterrichtet werden, und das spätestens ab dem SKS ja auch praktisch, warum aber das Bergen an sich bis zum höchsten deutschen Schein (SHS) nicht ein einziges verfluchtes mal geübt wird?! Alles was die Scheinanwärter lernen, ist Bojen mit dem Bootshaken aufzunehmen. Im Ernstfall ist das absolut nutzloses Scheinwissen. Ich bin der Meinung das Bergen, also der schwierigste Teil eines MOB-Manövers, sollte bis zum Erbrechen geübt werden und Teil der Prüfung sein, ähnlich wie es in der beruflichen Kletterei auch ist. Die ist in drei Qualifikations-Level aufgeteilt, im ersten Level lernt und übt man nur die wichtigsten Klettertechniken, der gesamte Rest der Ausbildung und Prüfung besteht aus dem wichtigsten Teil, der Kollegenrettung in verschiedenen Szenarien. Ich bin ebenso der Meinung, das man auch im Segelsport eine jährliche Wiederholungsunterweisung einführen sollte, wo man quasi eine jährliche Nachprüfung der MOB-Manöver inkl. Bergung ablegen sollte. So würden wirklich alle Schiffsführer dazu gezwungen, MOB-seitig immer am Ball zu bleiben, dadurch das man diese Thematik dann regelmäßig vor Augen hätte, würde sich meines Erachtens nach ein tief verwurzeltes Gefahren- und Sicherheitsbewußtsein ausbilden, was letztlich bestimmt dazu beitragen würde die Zahl der Todesfälle durch MOB Situationen deutlich zu verringern. Wenn Ihr Euch vor Augen ruft, dass man ja nicht mit jedem segeln geht, sondern nur mit Menschen die man mag, vielleicht sogar liebt, werdet Ihr sicher selbst das wachsende Bedürfnis verspüren, Bergetechniken zu erlernen und auf Euren Schiffen zu üben. Wer Fragen hat, kann sich gerne an mich wenden, das ist keine Hexerei!
Übrigens: infolge des Hergangs des sehr schweren Seeunfalls auf der SY Ina 2 wurden sowohl die BGS Schiffe, als auch die Waschposchiffe am Beispiel der Schiffe und Techniken der Gesellschaft kritisch unter die Lupe genommen. Es wurde ein deutliche Empfehlung an das Bundesministerium für Inneres, dem die BGS Schiffe unterstehen, ausgesprochen, die Rettungs- und Bergungsausrüstung zu verbessern, der das Bundesministerium für Inneres insoweit nachkam, das es in einer Stellungnahme unter anderem bekannt gab alle BGS Schiffe mit dem RLS System auszurüsten.
Bericht © by BSU