Refit unserer X-102

6. Mai 2011

In den letzten Wochen haben wir unser Schiff zu großen Teilen ge-refittet. Hier möchte ich ein wenig festhalten und vorstellen, was dabei gemacht wurde und den Vorher / Nachher Vergleich sichtbar machen. Unter anderem habe ich ein kleines Videotagebuch geführt, was zugegebener Maßen ein Dokument der Selbstzerstörung und der Ausseinandersetzung mit einer eher schwierigen Branche ist. Leider mussten wir aus Kostengründen im Winterlager auf einen beheizten Hallenplatz verzichten, weil sowas in Hamburg einfach unbezahlbar bzw. unverschämt teuer ist. Deshalb konnten wir mit den großen Arbeiten erst Ende März so richtig beginnen, da es vorher z.B. zum Laminieren viel zu kalt war. Dementsprechend ist das zeitlich ein ganz enges Höschen geworden, ich habe seeehr wenig geschlafen und alles an Kraft und Geld mobilisiert, was zur Verfügung stand… Alles in allem war es aber, trotz der Strapazen, der kurzen Nächte und der menschlichen Reibungen eine unglaublich gute, intensive und spannende Erfahrung am eigenen Schiff die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Man lernt nicht nur das Schiff in- und auswendig kennen, auch über sich selbst und die Menschen um einen herum lernt man sehr viel. Mein tiefster Respekt und vollster Dank geht u.a. an Frank Heuser, der mir jederzeit selbstlos mit Rat und Tat zur Seite stand und mir viel an Werkzeug, Fachwissen und Material zur Verfügung gestellt hat. Frank kennt diese Schiffe wie kein Zweiter hier in Norddeutschland und hatte immer auf alles eine passende Antwort. Ebenso geht großer Dank an unsere Freunde Rene Heesch, Malte Henke und Benjamin Schrage die in den letzten 3 Tagen des Refits mit großem Tatendrang mitgespielt haben.

Was wir bisher gemacht haben:

-Herstellung einer völlig neuen Bepolsterung im gesamten Schiff
-Komplettsanierung der Elektroanlage (12 V und 230 V)
-Komplette indirekte Innenbeleuchtung in eigener Herstellung aus 12 V LEDs
-Komplette Navigationsbeleuchtung
-Spezialbeleuchtung (Windexbeleuchtung mit UV LEDs, eigene Kompassbeleuchtung)
-Komplette Neu-Installation des Navigationsnetzwerkes (NX2 mit Wind, Kompass, GPS, Log und Lot)
-Cockpitrefit (GFK-Laminatsarbeiten, neuer Steuerkompass, Ausschnitte zu-laminieren, neue Fallenstopper und Fallenumlenkungen)
-Komplette Mastüberarbeitung (RiggTech)
-Komplett neues stehendes und laufendes Gut
-Komplette Rumpfüberarbeitung (Wrede)
-Umbau Auspuffanlage
-Komplette Erneuerung Borddurchlässe und Seeventile
-Eigenbau einer Ruderausschlagsbegrenzung am Quadranten
-Neuer Pinnenbeschlag
-Neuer Edelstahl-Dieseltank
-Komplette Segelgaderobe überarbeitet (Segelmacher Bohn)

In den kommenden Wochen werde ich hier immer mal wieder einzelne Bereiche beleuchten und auch Folgen aus meinem Videotagebuch veröffentlichen, was ganz gut zeigt wie aufreibend so was sein kann mit allen Höhen und Tiefen. Aber am Ende des Tages lohnt es sich doch, bedingungslos an etwas zu glauben und dafür zu arbeiten…

Rettungstechniken im MOB-Fall

13. Februar 2011

In diesem Artikel möchte ich anhand einer tragischen MOB-Situation an Bord der deutschen Jacht SY Ina 2SY Ina 2 beleuchten, welche Möglichkeiten dem geneigten Segler zur Verfügung stehen, um Überbord gefallene wieder an Deck zu hieven. Das dieses Unterfangen mit unter eher sehr schwierig ist, zeigt z.B. auch der Unfall an Bord der SY Muck III wo es der Crew nicht gelang, den rund 2 Zentner schweren überbordgegangenen Skipper an Deck zu ziehen. Selbiger konnte nur noch tot geborgen werden, nachdem die Jacht das ca. 2h entfernte Sonderborg erreicht hatte, obwohl zum Unfallzeitpunkt seichtes Wasser mit Stehtiefe keine halbe Stunde entfernt gewesen ist. Wie dem auch sei, die hier betrachtete MOB Situation spielt sich bei Windstille, platter See und auch ansonsten guten Wetterbedingungen an einem ersten Mai in der Ostsee ab. Die Crew besteht aus zwei Personen, dem Skipper und einem Mitsegler, die sich beide recht gut kennen und schon öfter zusammen unterwegs waren. Beide tragen ob der ruhigen Wetterverhältnisse keine Rettungswesten. Da der Wind eingeschlafen ist fährt man unter Maschine, der Mitsegler birgt die Segel und der Skipper geht Ruder. Als der Mitsegler gerade das Großsegel birgt, hört er den Skipper verzweifelt seinen Namen rufen und eilt sofort zum Heck wo er den Skipper vorfindet, wie er sich von aussenbords halb im Wasser am Seezaun festhält. Obwohl die Maschine augenblicklich gestoppt wird, gelingt es dem Mitsegler nicht den Skipper wieder an Bord zu ziehen oder Ihn zu sichern. Der Skipper entgleitet dem Mitsegler und geht vollständig in den Teich, woraufhin der Mitsegler sofort ein Mann-über-Bord Manöver unter Maschine fährt und schnell wieder zum Skipper zurückkehrt. Dort angekommen gelingt es Ihm zwar, den Skipper per Bootshacken ans Schiff zu ziehen und zu sichern, allerdings schafft er es nicht den mittlerweile leblosen (nach ca. 2-3 Minuten!!!) Körper an Deck zu ziehen. Daraufhin sichert er den Körper provisorisch mit einer Schot an der Badeleiter und ruft dann auf Kanal 16 um Hilfe. Nach 20 Minuten ist als erstes ein BGS Schiff zur Stelle, die Enforcer 2,Enforcer 2 im Dienste des damaligen BGS, heute Bundespolizei... welche längsseits geht und mit 2 Mann zur Ina übersetzt um zu helfen. Auch diesen beiden gelingt es nicht, den Verunfallten wieder an Deck zu ziehen, und so wird dann die Waschpo um Hilfe gebeten, die einige Minuten später mit einem Tochterboot der WarnowWarnow im Dienste der Waschpo aka Entensheriffs aka WSP zur Stelle ist, um den mittlerweile wieder im Wasser treibenden Körper nun endlich zu bergen und auf die Warnow zu bringen. Der per SAR-Hubschrauber eingeflogene und auf die Warnow abgewinschte Rettungsarzt setzt die Wiederbelebungsmaßnahmen zwar fort, kann aber später nur noch den Tod des 69-jährigen Skippers feststellen. Später wird sich im Zuge der Obduktion herausstellen, das der Verstorbene herzkrank war und einen Blutalkoholwert von 2,29 ‰ hatte…

Krasse Geschichte, tragisches Ende. Das muss man sich mal zu Gemüte führen, bei spiegelglatter See und Windstille… Als äusserst ungünstige Faktoren sehe ich, dass der Skipper vollständig besoffen auf See war, das ist immer blöd und gefährlich, auch bei Flaute. Sehr ungünstig dürfte sich auch der Fakt ausgewirkt haben, dass er herzkrank war. Das gehobene Lebensalter des Schiffsführers darf auch nicht ganz unbeachtet bleiben, denn all diese Faktoren beeinflussen die Überlebenszeit im Wasser doch erheblich. Als entscheidende Faktoren werden in der einschlägigen Fachliteratur Alter, körperliche Fitness, Gesundheitszustand, Alkohol und Bekleidung genannt. Anfang Mai ist das Wasser der Ostsee wirklich noch eher kalt, so dass dem Körper sofort nach eintauchen das äußerste abverlangt wird. Im unteren Temperaturbereich sagt man, pro Grad Wassertemperatur habe man eine Minute Überlebenszeit. In dieser Situation herzkrank, fast 70 Jahre alt und total besoffen zu sein ist das absolute worst case scenario. So erklärt es sich wohl auch, dass binnen kürzester Zeit keine Lebenszeichen mehr vom Überbordgefallenen zu vernehmen sind. Das ist der erste Part, den man beleuchten kann und daraus lernen sollte. Leider reklektieren sich sehr viele Menschen nicht ausreichend selbst oder ziehen nicht die notwendigen Schlüsse daraus. Wenn man weiß, das man herzkrank ist sollte man sich auf See insgesamt sehr vorsichtig bewegen und seine eigene Leistungsgrenze stets im Blick haben. Genauso sollte man klar vor Augen haben, dass man bei kaltem Wasser mit aller Wahrscheinlichkeit nicht einmal das Eintauchen überleben wird, und sich um so sicherheitsbewusster verhalten und niemals unangeleint herumspatzieren, schon gar nicht beim Pinkeln. Aber am allerwenigsten sollte man mit 2,29 ‰ zur See fahren, weil dieser Zustand Missgeschicke, Fehleinschätzungen und Unfälle sehr wahrscheinlich macht. Leider haben die meisten Leute ein Leben lang in ganz normalen Berufen gearbeitet und nie ein Gefahrenbewusstsein entwickelt, und die sich daraus resultierende kritische Beleuchtung seiner selbst zu eigen gemacht. Ich kenne das unter anderem sehr gut aus der Industriekletterei (ich arbeite seit über zehn Jahren selbstständig, u.a. als Industriekletterer und Veranstaltungsrigger. Qualtifikationenen: FISAT Level 1, Level 2, Rettungsrigger, Ansclägerschein), wo man mit jedem Arbeitseinsatz sein Leben in die Hände des eigenen Materials und der eigenen Technik legt. Wenn man dort schlampig ist, einen Knoten verbaselt, einen Karabiner nicht richtig zudreht oder seine Seile nicht vernünftig nach dem letzten Einsatz auf Beschädigungen geprüft hat, kann es ganz schnell zu Ende sein. Daraus hat sich ein intensives Gespür für Gefahren entwickelt, ebenso wie eine sehr ehrliche Selbsteinschätzung denn das ist überlebenswichtig. Ich erzähle das, weil ich schon oft beobachtet habe, das sich speziell Menschen auf dem Wasser nicht bewusst sind, welche Gefahren und Risiken sie evtl. gerade in Kauf nehmen, und weil retrospektiv betrachtet die allermeisten sehr schweren Seeunfälle (also solche mit tödlichem Ausgang) auf Jachten vermeidbar gewesen wären.

Nun gut, widmen wir uns doch einmal den anderen Beteiligten, zuerst mal dem Mitsegler. Direkt in der fraglichen Situation, als er dem Skipper, der sich noch von aussenbords selbst an der Reling festhalten konnte, zur Hilfe kommt, stellt er den Hebel der Maschine mit dem Fuss auf Leerlauf. Direkt nachdem der Skipper aussenbords gegangen ist, setzt er ein MOB-Manöver an, holt derweil einen Bootshaken vom Oberwant und ist binnen kurzer Zeit zurück an der Unfallposition. Er zieht den Verunfallten per Bootshaken ans Schiff und sichert Ihn provisorisch, nachdem er vergeblich versucht hat Ihn an Bord zu ziehen ruft er MRCC Bremen per UKW um Hilfe. Danach kehrt er zum Heck zurück, um den Kopf des Verunfallten über Wasser zu halten, und wartet ca. 20 Min bis das BGS Schiff vor Ort ist. Eigentlich alles vorbildlich, aber wieso kriegt er den Verunfallten nicht an Bord? Wie schon vorher erwähnt ist das der mit weitem Abstand schwierigste Teil eines MOB Falls. Wenn ein Verunfallter erstmal soweit geschwächt oder gar bewusstlos ist, das er nicht mehr bei seiner Bergung aktiv mitwirken kann wird es von Hand (also ohne Hilfsmittel oder Techniken) schwer bis unmöglich, den Körper das gesamte Freibord hinauf an Deck zu zerren. Deshalb ist dieser Unfallbericht der BSU auch so wertvoll, denn es werden verschiedene technische Hilfsmittel und Rettungstechniken vorgestellt, von denen wir viel lernen können. Die Lernbereitschaft an sich setzte ich mal vorraus, denn im Zweifelsfall ist es schließlich die eigene Frau, das eigene Kind, ein guter Freund oder Familienangehöriger, den wir vor dem sicheren Tod bewahren müssen…

Schauen wir uns mal die eher rudimentären Hilfsmittel an, begonnen mit einer ganz witzigen Erfindung aus England, dem sogn. Ein-Mann-Rettungsfloß

das die Funktionalität einer Markierungsboje und eines Rettungsflosses in sich vereint. Diese Gerätschaft läßt sich, da in einer Tasche gestaut wohl auch recht gut im Heckkorb installieren, von wo aus sie schnell einsatzbereit und ausgebracht ist. Sofern der Verunfallte noch bei Bewusstsein ist, muss er/sie jetzt nur noch ins Floß klettern und ist erstmal solange gesichert und vor weiterer Unterkühlung geschützt, bis die Jacht wieder an Ort und Stelle ist um die Person aufzunehmen. Auch stelle ich mir das Übersteigen aus diesem Floß aufs Schiff deutlich leichter vor, da man sich ja überhalb der Wasserlinie befindet und eine kleinere Distanz überbrücken muss.

Eine andere Möglichkeit, einen Überbordgegangenen der noch aktiv mithelfen kann, wieder an Deck zu bekommen, sind sogn. Rettungsnetze in verschiedenen Ausführungen (mit oder ohne festen Rahmen),
Rettungsnetz ohne Rahmen
die man an Deck an ausreichend dimensionierten Punten anschlägt. Das erinnert dann schon ein wenig an das Theorie- und Praxiswissen, das einem im Rahmen der deutschen Segelscheine vermittelt wird, Stichwort aus Schoten improvisierte Leiter.

Doch was soll man im schlimmsten Fall tun, wenn wie im vorliegenden Fall die Person bereits bewusstlos ist, keine Weste trägt und nicht mehr aktiv mithelfen kann, das eigene Körpergewicht wieder an Deck zu bringen? Eine mögliche Lösung wäre, einen körperlich fitten Mitsegler am Schiff per Manntau zu sichern, damit dieser zur Person ins Wasser steigt um diese vor dem Ertrinken zu bewahren, z.B. mit einem Hufeisen Rettungsring, und der dann beim Bergen von unten mithilft.

Diese Methode kommt wohl von den Rettungsschwimmern, die sich mit der Rettung von Badenden beschäftigen und gebadet wird ja in aller Regel nur, wenn die Wassertemperatur recht hoch ist. Da wir ja aber zu fast allen Jahreszeiten mit Jachten auch auf offener See unterwegs sind, wird empfohlen bei einer solchen Aktion einen Überlebensanzug (sogn. Eintauchanzug)
Eintauchanzug
zu tragen. Diese Methode halte ich von daher für absolut unhandig, als das ich noch nie einen Überlebensanzug an Bord einer privaten Jacht gesehen habe, weil diese einfach mal verflucht teuer sind. Desweiteren ist ein solcher ja auch nicht mal so eben korrekt angelegt, wobei dann äußerst wertvolle Zeit verstreicht (im vorliegenden Fall war der Verunfallte bereits nach 2-3 Min leblos!). Generell denke ich, dass niemand einem Überbordgefallenen ins Wasser folgen sollte, da man dadurch wenig bis gar nichts gewinnt und danach mit zwei zu Rettenden da steht. Es mag bestimmt Ausnahmesituationen geben, wo eine solche Maßnahe erforderlich wird, aber in der Regel würde ich von sowas gepflegt die Finger lassen. Auch muss man dafür eine ausreichende Crewstärke aufweisen, was oftmals ja auch nicht wirklich gegeben ist.

Ein weiteres, wie ich finde sehr nützliches Tool haben die Fachhochschulen Hildesheim/Holzmünden/Göttingen im Rahmen des Forschungsprojektes „Rescue Lifting System“ (RLS)
RLS
entwickelt. Es besteht aus einer Schwimm- und einer Sinkschlaufe, die man dem Verunfallten anlegt. Man kann mittels Handgriffen an den Schlingen die leblose Person entweder waagerecht in eine Rettungsinsel hieven, was aber mit größerem Kraftaufwand verbunden ist, oder aber in Kombination mit einer improvisierten oder festinstallierten Hebevorrichtung die Person direkt an Bord heben.

Klingt total gut, aber wie kann so eine Hebevorrichtung aussehen? Auch hier gibt es wieder mal die verschiedensten Varianten, sich der Physik und der vorhandenen Bordmittel zu bedienen. Die einfachste Variante wäre wohl, sich eines einfachen Falls zu bedienen, dass man in das RLS einhackt. Entweder gelingt es schon über das Anwinschen mit der Arbeitswinsch, den Verunfallten auf Decksniveau zu hieven, oder man macht sich den immens langen Hebel zu nutze, den das Fall nunmal hat. Wenn man per Winsch die Lose maximal aus dem Fall holt, und das Fall dann natürlich sicher belegt, kann man einfach das Fall in Richtung des Bugs vor sich her drücken und über die dadurch entstehende Verkürzung die Person an Bord kriegen. Ich habe einmal in einem Hafen gesehen, wie ein älterer Skipper auf diese Weise seinen schweren Rettungsinselcontainer vom Steg aufs Schiff gebracht hat, und war absolut fasziniert. Beim rumprobieren wiederum war ich erstaunt, mit welcher Leichtigkeit man große Lasten auf diese Weise heben kann. Alternativ könnte man genauso die komplette Großschot sowohl vom Fußblock als auch am Baum lösen, und diese unten ans Rettungsgerät und oben ans Großfall anschlagen, dann hat man eine deutlich verbesserte Kraftübertragung, je nach Großschottalje halt. Eine weitere Möglichkeit wäre natürlich die aus der deutschen Segelschein-Welt (Achtung, Wortspiel :-)) eigentlich bekannte Variante den Großbaum und die Großschot als Hebeinrichtung zu benutzen, indem man die Großschottalje am Fußblock aushackt und unter der Baumnock als hebenden Flaschenzug benutzt. Zur Verbesserung der Zugrichtung und damit der Kraftübertragung müsste man allerdings irgendwo, sei´s an einem Wand oder zur Not halt an einem Fall, einen Block als Umlenkung anschlagen, denn so zieht man nach unten und nicht nach oben. Jeder, der öfter mal mit den Händen arbeitet, weiß was ich meine… Diese Methode ist allerdings bei unruhiger See nicht ganz ungefährlich, da der Großbaum dann durch die Schiffsbewegungen wild hin- und herschlagen will und deshalb zusätzlich gesichert werden muss. Deshalb wird empfohlen, eine seperate Hebeeinrichtung, nur für diesen Zweck bestimmt fest zu installieren. Die BSU schlägt in diesem Fall die Verwendung des Höhensicherungsgerätes HRA der Firma IKAR vor,

welches eigentlich aus der Höhenarbeit stammt und entweder dazu verwendet wird, Höhenarbeit kontrolliert in die Tiefe abzulassen bzw wieder aufzuholen oder aber Hilflose Personen nach oben oder unten zu retten. Es verfügt über eine Fliehkraftbremse, falls unbeabsichtigt der Hebel losgelassen wird begrenzt diese die Fallgeschwindigkeit automatisch auf die sogn. ungefährliche Geschwindigkeit.

Das Gerät der Firma IKAR steht hier nur stellvertretend für die Gattung der sogn. Rettungsgeräte, die in der Höhenarbeit eine breite Anwendung finden. Eine andere Firma die Höhenrettungsgeräte herstellt ist beispielsweise Mittelmann Sicherheitstechnik mit dem RG 10.
RG 10 Typ A Hub

Aus diesen Rettungsgeräten kann man sich ein festinstalliertes Hubsystem für den Rettungsfall installieren, das jederzeit einsetzbar ist:

Man muss dazu das Rettungsgerät am Mast montieren, braucht eine Umlenkung für die Kraftübertragung und einen frei laufenden Block, der bei Bedarf am Want eingehakt wird. Am unteren Seilende der Seilstrecke sollte sich ein Karabinerhaken befinden, um sich schnell in das RLS oder den Lifebelt einhaken zu können. Mit diesem System besteht die einzige, größere Schwierigkeit darin, die Jacht zurück zu der Verunfallten Person zu bewegen und diesen seitlich solange provisorisch zu sichern, bis man den Karabiner der Rettungsstrecke bei Ihm/Ihr eingepickt hat.Sofern die verunfallte Person einen Weste oder einen Lifebelt trägt, ansonsten wird´s natürlich komplizierter aber gleich mehr dazu. Der Rest sieht dann in etwa so aus:

Alternativ zu dem gesagten RLS kann man den Verunfallten, wie eben schon erwähnt, auch an der Öse eines Lifebelt anpicken. Jede automatische West hat heutzutage einen Lifebelt integriert, wenn aber der Verunfallte weder Weste noch Lifebelt trägt muss man einen Lifebelt improvisieren, was im folgenden Bild schematisch dargestellt ist:

Dabei gilt es allerdings zu beachten, das bei falscher Knotentechnik Strangulationsgefahr besteht, wenn eine unter Last stehende Schlaufe in die Halsregion rutschen sollte. Speziell das Improvisieren eines Lifebelts sollte daher intensiv geübt und erprobt werden. Ich persönlich verwende für diesen Fall wiederum Techniken aus der Höhenrettung. Entweder benutzte ich zwei Bandschlingen und einen Karabiner, oder ich knote einen Improvisierten Gurt aus einem doppelten Palstek.
Weitere mögliche Bergehilfen wären Rettungstragen,


die ich aber aufgrund Ihres, für kleinere Jachten, nicht unerheblichen Platzbedarfes auch eher unhandig finde. Für kleinere Schiffe gibt es ein sehr schönes und über dies einfaches, leicht zu stauendes System, das ein Segel zum Bergen benutzt: Das Bergesegel.

Dieses System ist aufgrund von vergleichsweise geringen Kosten, geringem Platzbedarf und leichter Bedienbarkeit mein Favorit. Ich habe die Erfahrung gemacht, das die Selgerszene vielfach aus Leuten besteht, die eine recht geringe Neigung besitzen Techniken zu lernen oder Material zu verwenden, die nicht aus der Segelei kommen, so z.B. beim Thema Knoten. Als Kletterer benutze ich einige Knoten, die in der Segelei eher unüblich, dafür aber gegenüber klassischen Segelknoten sehr effizient und handig sind. Dafür habe ich mir schon viel Kopfschütteln eingefangen, aber trotzdem funktioniert´s besser, schneller und effizienter als die Standardvariante. Doch dafür ist niemand, speziell die älteren Semester, offen. Da sehe ich einen großen Vorteil des Bergesegels, denn der Segler ist ja mit Segeln und dem Setzen derer an sich vertraut, von daher ist das nichts großartig neues, was Mensch erlernen muss. Im Klettern sagt man, ein System ist nur sicher, wenn es einfach, verständlich und unter allen Bedingungen anwendbar ist. Ansonsten hat man nichts gewonnen, denn wo viele Fehlerquellen verborgen sind oder der gebrauch unnötig kompliziert ist, sind Unfälle vorprogrammiert.

Generell habe ich einen völlig anderen Zugang zu diesem Thema, als der normale Segler denn ich verdiene mein Geld unter anderem damit, mich von Windkraftanlagen oder Hochhäusern abzuseilen, meine Arbeit vor Ort zu verrichten und danach entweder wieder zum Einstiegspunkt zurück aufzusteigen, oder mich zum Boden abzuseilen. Oder aber damit, dass ich die Sicherung, Erstversorgung und Höhenrettung von hilflosen Personen im Veranstaltungsbereich gewährleiste. Ich habe in der dafür erforderlichen Ausbildung gelernt, mich und die Rettungstechnik sowohl der jeweils individuellen Situation anzupassen, als auch mit dem Material zu arbeiten, was zu diesem Zeitpunkt verfügbar ist. Ganz zur Not kann ich mir aus zwei Bandschlingen und zwei Karabinern einen provisorischen Gurt nebst Abseilgerät (Gardaklemme) selbst bauen, zur ganz ganz großen Not auch aus einem Stück Seil knoten. Teil dieses Jobs ist u.a. das Erstversorgen, Stabilisieren und das anschließende Bergen von Schwerstverletzten aus Höhen und Tiefen innerhalb sogenannter begleiteter Tragenrettungen. Man lernt viel über Flaschenzüge, denn anders kriegt man einen Schwerverletzten auf der Trage gar nicht hochgezogen. Jedes mal, wenn man ins Seil steigt ist einem bewusst das man mit seinem Leben spielt, falls man seinem Material aufgrund mangelnder Eigenkontrollen nicht vertrauen kann, oder die verwendeten Techniken nicht sauber beherrscht. Ab einer Einsatzhöhe von 20m aufwärts ist einem das sowas von glasklar, unnötig zu erwähnen wie klar einem das bei Arbeitshöhen von über Hundert Metern so ist. Ich habe also ein Bewusstsein für Gefahren, aber auch für die technischen Möglichkeiten entwickelt, ich habe jahrelang trainiert und vertraue meiner Technik. Bezogen auf die Segelei wage ich es zu behaupten, das ich unter allen Umständen in der Lage bin, einen Überbordgefallen zu bergen, eben weil ich mich schon beruflich unfaßbar viel mit einer sehr ähnlichen Thematik beschäftigt habe. An Bord der Schiffe, mit denen ich unterwegs bin übe ich das durchaus auch…

In der Kletterei ist es überdies so, dass man als Inhaber eines Kletterscheines der FISAT jährlich an einer sogn. Wiederholungsunterweisung teilnehmen muss, wo man zum einen über evtl. Neuerungen bzgl. der Kletter- und Rettungstechniken aufgeklärt wird, zum anderen muss man in einer praktischen Prüfung eine Kollegenrettung erfolgreich vorführen, um seine Kletterschein zu behalten. In der Höhenarbeit gilt das Prinzip der Kollegenrettung, da die Einsatz- und Rettungskräfte in aller Regel nicht über die nötigen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen, um Personen aus der Höhe oder Tiefe zu retten. Die Dichte an Höhenrettungsstaffeln der Feuerwehr ist erschreckend gering, im Zweifelsfall gibt es dann Amtshilfe von der nächsten SEK Einheit, die eingeflogen wird. Bis dahin vergeht aber in aller Regel bis zu einer 3/4 Stunde, da der RTW alleine ja schon bis zu 20 Min braucht, um den Einsatzort zu erreichen. Da Verunfallte aber in max. 15 Min aus dem Seil gerettet sein müssen, weil spätestens dann der sogn. orthostatische Schock („Hängetrauma“), ein absolut lebensbedrohlicher Zustand, einsetzt muss immer mindestens in Zweierteams gearbeitet werden, um die gegenseitige Rettung zu gewährleisten. Hier sehe ich eine große Analogie zum Segelsport. Wenn wir uns nicht primär auf uns selbst und unsere Crew im Zuge einer Rettung verlassen, sondern planmäßig primär auf die Hilfe der Gesellschaft bauen, um Überbordgefallene wieder ins Trockene zu kriegen, wird viel zu viel Zeit vergehen und höchstwahrscheinlich der Tod durch Ertrinken oder Unterkühlung schon eingesetzt haben, wenn die Rettungsboote den Einsatzort erreichen. Wenn man die BSU Berichte aufmerksam studiert wird klar, dass dieses Szenario traurige Realität ist und erschreckend oft so passiert. Deshalb frage ich mich, warum in der deutschen Segelausbildung über den DSV zwar die Schiffsmanöver unterrichtet werden, und das spätestens ab dem SKS ja auch praktisch, warum aber das Bergen an sich bis zum höchsten deutschen Schein (SHS) nicht ein einziges verfluchtes mal geübt wird?! Alles was die Scheinanwärter lernen, ist Bojen mit dem Bootshaken aufzunehmen. Im Ernstfall ist das absolut nutzloses Scheinwissen. Ich bin der Meinung das Bergen, also der schwierigste Teil eines MOB-Manövers, sollte bis zum Erbrechen geübt werden und Teil der Prüfung sein, ähnlich wie es in der beruflichen Kletterei auch ist. Die ist in drei Qualifikations-Level aufgeteilt, im ersten Level lernt und übt man nur die wichtigsten Klettertechniken, der gesamte Rest der Ausbildung und Prüfung besteht aus dem wichtigsten Teil, der Kollegenrettung in verschiedenen Szenarien. Ich bin ebenso der Meinung, das man auch im Segelsport eine jährliche Wiederholungsunterweisung einführen sollte, wo man quasi eine jährliche Nachprüfung der MOB-Manöver inkl. Bergung ablegen sollte. So würden wirklich alle Schiffsführer dazu gezwungen, MOB-seitig immer am Ball zu bleiben, dadurch das man diese Thematik dann regelmäßig vor Augen hätte, würde sich meines Erachtens nach ein tief verwurzeltes Gefahren- und Sicherheitsbewußtsein ausbilden, was letztlich bestimmt dazu beitragen würde die Zahl der Todesfälle durch MOB Situationen deutlich zu verringern. Wenn Ihr Euch vor Augen ruft, dass man ja nicht mit jedem segeln geht, sondern nur mit Menschen die man mag, vielleicht sogar liebt, werdet Ihr sicher selbst das wachsende Bedürfnis verspüren, Bergetechniken zu erlernen und auf Euren Schiffen zu üben. Wer Fragen hat, kann sich gerne an mich wenden, das ist keine Hexerei!

Übrigens: infolge des Hergangs des sehr schweren Seeunfalls auf der SY Ina 2 wurden sowohl die BGS Schiffe, als auch die Waschposchiffe am Beispiel der Schiffe und Techniken der Gesellschaft kritisch unter die Lupe genommen. Es wurde ein deutliche Empfehlung an das Bundesministerium für Inneres, dem die BGS Schiffe unterstehen, ausgesprochen, die Rettungs- und Bergungsausrüstung zu verbessern, der das Bundesministerium für Inneres insoweit nachkam, das es in einer Stellungnahme unter anderem bekannt gab alle BGS Schiffe mit dem RLS System auszurüsten.

Bericht © by BSU

SY Unikum

12. Februar 2011

Das ist ein ernsthaft krasses Beispiel, was man alles völlig verballern kann. Der Schiffsführer dieser Jacht hat sich richtig mal schön einen reingesoffen, ist mit 11 zahlenden Gästen und einem Mitsegler an Bord trotz Starkwindwarnung ausgelaufen und dann beim setzten des Rahsegels ohne Weste über Bord gefallen. Dort wo die dazugehörige Klampe am Seitengang sitzt, ist selber sehr schmal und nicht durch eine Reling begrenzt sprich diese Gefahr war konstruktiv vorhanden und muss bekannt gewesen sein. Zu allem Überfluss ist ein MOB Manöver mit dem Mitsegler nie geübt worden…Die Obduktion der Leiche ergab einen Blutalkoholwert von 1,47 ‰ .
Muss man noch formulieren, was man daraus lernen kann? An Bord von vielen Jachten wird gern mal einer genommen, das war schon immer so. Ich bin ebenfalls der Ansicht, das auf Schiffen die ich führe die Verrohung der Sitten nicht akzeptiert wird, sprich es gibt definitiv einen Ablegeschluck, einen Anlegeschluck und wenn´s längere Etappen sind wahrscheinlich auch mittendrin mal ein Bier. Ich verstehe aber nicht, wieso sich erwachsene, erfahrene Seeleute auf dem Wasser quasi besinnungslos saufen. Ich habe mal gehört, das jede dritte männliche Wasserleiche, die die Gesellschaft aus dem Meer zieht einen hohen Blutalkoholwert und evtl einen offenen Reisverschluss aufweist, sprich der Suff verleitet einen auch dazu leichtsinnig zu werden und des Nachts unangeleint am Achterstag pinkeln zu gehen… Am besten einfach niemals den Kopf ausschalten und sich immer seiner Verantwortung für Schiff und Crew bewusst sein.



© by BSU

Kann man eine klassische 22m Yacht kentern?

12. Februar 2011

Das ist doch mal eine spannende Frage: Kann man eine klassische 22m Yacht bei moderaten Bedingungen auf der Ostsee Kentern? Kann so ein riesiges Schiff überhaupt kentern? Wenn ja dann wohl aber nur bei Vollsturm mit orkanartigen Böen, 30m Welle und Wind gegen Strom,oder?

Die Antwort ist ganz simpel: Ja man kann, und das nur durch falsche Segelführung und mangelnde Stabilitätsreserve…

Hier der Bericht dazu auf der BSU Site

Berufsschiffahrt übersieht und rammt Traditionsschiffer

12. Februar 2011

Auch ein seeehr schönes Beispiel, das ständiger scharfer Ausguck wie nach KVR gefordert bei den Berufsschiffern nicht zu jeder Zeit gegeben ist. Ich kenne die Roald, wer diesen 40m Kahn übersieht, übersieht erst recht jede Jacht…



Fähre rammt Segler während Kieler Woche

12. Februar 2011

Auch während dieser äusserst belebten Zeit in der Förde, wo es häufig geringe Passierabstände gibt sollte man sich tunlichst von der beruflichen Schifffahrt fern halten, denen ist man tatsächlich erstmal völlig egal. In dem vorliegenden Fall war die Fähre „Laboe“ ausweichpflichtig…

Der Bericht kommt von der
BSU
site.

SY Aredi und SY Sinus

12. Februar 2011

Grund für das Überbordgehen der Einhandsegler mit Todesfolge war die fehlende Lifeline…
Einhand heißt also nur angeleint das Cockpit verlassen, egal wie albern das aussehen mag und egal wie sehr es gerade drumherum knallt.

Bericht kommt von der BSU Site

Der wohl merkwürdigste Rettungsversuch der Welt…

12. Februar 2011

Was man aus diesem Unfall lernen kann ist folgendes:

1. Niemals unterbemannt aufbrechen, schon gar nicht des Nachts, und
2. dann schon gar nicht den Spi setzten oder am besten noch
3. den Spi alleine auf dem unbeleuchteten Vorschiff ohne Stirnlampe bergen und dabei vom Spi über Bord geworfen werden.
4. Aber ganz bestimmt niemals den mittlerweile durch Leinen am Schiff gesicherten Überbordgefallenen 2 Stunden aussenbords
mitschleifen, obwohl seichtes Wasser mit Stehtiefe keine 1 1/2 sm vom Unfallort entfernt ist…

Auch hier wussten die creweigenen Retter nicht, welche Techniken und Bordmittel man sich zu nutze manchen kann, um Überbordgefallene wieder an Deck zu hieven. Mehr zu dem Thema Rettungstechniken gibt´s hier.

Warum 3-Farbenlaternen eher ungünstig sind

12. Februar 2011

Im Zuge der Neuausrüstung unserer kürzlich erworbenen X-102 steht jetzt auch die Umrüstung der Positionslaternen auf LED Technologie an.Nach einiger Recherche haben es mir lopolights besonders angetan. Eigentlich wollte ich gerne das volle Programm abfahren, 2-Farbenlaterne am Bug, Hecklicht, Dampferlicht im oberen Drittel des Masts, im Top einmal Rot rundum über Grün rundum. Da wir ja auch ein neues Schaltpanel bauen, will ich eine Positionslaternenüberwachung mit optischer Anzeige der einzelnen Laternen und optischem sowie akustischem Alarm im Fehlerfall. Das ganze basiert dann auf der Philipi Platine POS 06, der Riss der Jacht wird in die Plexifront des Panels gefräst, LEDs und Speaker für den Alarmton werden natürlich ein wenig spezieller und chiquer als sonst in Serie üblich. Einziges Problem: Lopolights sind ver****t teuer!!! Alleine der Spaß mit Rot/Grün rundum auf der Palme hätte fast 700 Euro gekostet! Da wir noch so einiges anderes zu sanieren haben, und auch gerade erst den Kauf und die Rumpfprävention finanziell stemmen mussten, werfe ich das Handtuch und denke über alternativen nach. Bis ich auf folgendes Dokument stieß, fand ich die Idee einer 3-Farbenlaterne im Top ganz anziehend, aber seht selbst:





Das ganze kommt von der Kreuzerabteilung des DSV. Wenn man sich vor Augen führt, das es gute 3-Farbenlaternen auch nicht geschenkt gibt, diese aber nicht so wirklich eindeutig des Nachts zu identifizieren sind, kann man sich diese Investition auch einfach getrost schenken. Ich habe mich jetzt für die absolute old-school Variante entschieden, 2 Farbenlaterne am Bug, weiß rundum im Top und Hecklicht. Unter Segeln ist das Toplicht aus, kommt dann die Maschine ins Spiel geht das Hecklicht aus und das Toplicht als kombiniertes Dampfer- und Hecklicht erstrahlt. Fertig! Ganz einfach und dazu noch nichtmal KVR widrig. Im Endeffekt ist es ja eh so, das die Berufsschifffahrt des Nachts ob der dünnen personellen Decke recht viel auf der Brücke zu tun hat, und definitiv nur die wenigsten Segler anhand Ihrer Lichter frühzeitig orten kann. Wenn man den großen Pötten helfen will, die eigene Jacht frühzeitig zu spotten sollte man das Geld nicht in unnütze Lichter, sondern in ein AIS-System und/oder einen guten Radarreflektor investieren, das ist wesentlich effektiver. Am Ende des Tages ist es so wie immer, haltet Euch von den dicken Kähnen fern, haltet stets scharfen Ausguck und entdeckt die Großschifffahrt möglichst früh. Eine starke LED Taschenlampe halte ich für extrem sinnvoll, um damit die eigenen Segel hell zu erleuchten sobald man des Nachts weitere Verkehrsteilnehmer ausmacht, und dann ist man eigentlich total super unterwegs…

Ein Traum wird wahr!

12. Februar 2011

Meine Oma hat immer zu mir gesagt, dass die Dinge die man sich wirklich ehrlich und sehnsüchtig wünscht, irgendwann wahr werden, wenn man sie nicht aus den Augen verliert. Das ist lange her und Sie ist leider schon lange verstorben, aber dieser Satz ist bei mir geblieben. Ich habe schon lange den Traum gehabt, auf eigenem Kiel unterwegs zu sein, ein eigenes Schiff zu besitzen das im Bezug auf die Segeleigenschaften wenig Kompromisse macht und trotzdem genug Wohnlichkeit besitzt, um ein zu Hause zu sein. Solche Schiffe gibt es meiner bescheidenen Meinung nach nicht mehr viele. Heutzutage werden viele schwimmende Wohnzimmer mit miserablen Segeleigenschaften gebaut, oder aber reine Regatta-Möhren, die Unterdeck den Charme der klassischen Psychiatrie aufweisen. Einige wenige ernsthaft schöne Schiffe sind schon dabei, wie z.B. die X 35, aber leider habe ich kein hundert-tausender budget zur Verfügung und so fällt das leider flach.
An älteren Schiffen gibt es viel auf dem Gebrauchtmarkt, allerdings ist das meiste eher in der Kategorie schwimmendes Wohnzimmer einzusortieren. Einige schöne IOR Risse gibt es trotzdem, wie z.B. die Dehler DB 1 und DB 2, oder eben den X 3/4 Tonner oder die X-102.
Ich mag IOR Risse einfach sehr, schöne geschwungene Linien, lange Masten, 7/8 Fraktionellrigs, große Großsegel und wenig Gewicht sind erstmal gute Grundvorraussetzungen. Einige frühe IOR VertreterInnen haben eine extreme sogn. IOR-Beule, also ein in ungefähr der Mitte übermäßig konvex „ausgebeulten“ Rumpf. Ich persönlich habe mich schon vor Jahren in alte X-Jachten verliebt, speziell in den 3/4 Tonner und die fast baugleiche X-102, eine tourenfreundlichere Version des selben Risses nur mit Achterkabine anstatt des offenen Hecks und mit etwas entschärftem 7/8 Rig, 17 m anstatt von 18,5 m. Ein wunderschönes Schiff:


Anfang letzten Jahres hat´s mich endgültig gepackt. Vielleicht in einem Schub von verfrühter Midlife Crisis beschloß ich, dass es an der Zeit ist meine Träume in die Tat umzusetzten, wer weiß wie viel Zeit mir nur auf diesem Planeten vergönnt ist… Aber wie stemmt man das mal so eben? So ein Schiff ist eine gewaltige Investition, da würde irgendwas in der Größenordnung zwischen 25.000 und 40.000 € auf mich zukommen, wenn man Kauf und evtl Sanierung und Neuausrüstung zusammenrechnet. Ich bin selbstständiger Veranstaltungstechniker von Beruf, davon kann man ganz anständig leben aber reich bin ich bisher nicht geworden. Meine Lösung war relativ einfach, allerdings habe nicht ich sie sondern sie hat mich gefunden. Manchmal im Leben wird man halt doch dafür belohnt, das man ein im Grunde guter Mensch ist, der viel für andere tut. In diesem Fall rief mich mein alter Kollege Stefano an und erzählte mir, das in seiner Firma, dem Miniatur Wunderland, für ein neues Bauprojekt personelle Unterstützung im technischen Bereich gesucht würde, und vermittelte mir einen Gesprächstermin mit dem zuständigen Abteilungsleiter. Ich traf mich mit einem sympathisch wirkenden Menschen namens Rene, und kurze Zeit später hatte ich einen ganz anständig bezahlten Nebenjob, der super mit meiner gewerblichen Tätigkeit vereinbar ist. Neben den üblichen 12 bis 15 Tagen Arbeit im Monat im Veranstaltungsbereich kamen so nochmal 100 – 130 Stunden Nebentätigkeit hinzu. Und das habe ich dann seit Anfang Februar 2010 so zelebriert. Im Sommer bin ich natürlich mehr ausserhalb unterwegs, da stehen Festivals und die eine oder andere Singleshow oder kurze Tour an, aber das war ok für die Kollegen. Ein hartes Brot auf die Dauer, soviel sei gesagt, denn das bedeutet dauerhaft ca. 2 Tage im Monat frei zu haben, geregelten Tagrythmus im Nebenjob mit dem völlig chaotischen Tag-/Nachtrythmus aus dem Veranstaltungsbereich zu mischen und eigentlich immer zu arbeiten, einfach immer. Das habe ich dann auch stramm so bis heute durchgezogen, und ich werde das auch noch eine ganze Zeit so weitermachen müssen…

Im Oktober war´s dann schließlich soweit. Nachdem ich mich schon in einen 3/4 Tonner bei Lübeck verliebt hatte, den meine wundervolle Frau aber leider nicht so sonderlich mochte, fanden wir schließlich im Internet eine X 102 in Holland, die einen guten Eindruck machte und preislich interessant war. Nach einer Besichtigung in Begleitung eines holländischen Sachverständigen, der die Jacht für uns begutachtete, und dem üblichen Geringe um den Preis, war´s dann Anfang Oktober endlich spruchreif. Entgegen meiner ursprünglichen Planung, alleine ein Schiff zu kaufen um in keine Konflikte zu geraten, entschlossen sich Amaly und ich uns diesen Schritt gemeinsam zu wagen. Die Überführung sollte dann auch möglichst schnell über die Bühne gehen, solange das Wetter an der Nordsee noch einigermaßen stabil war. Leider konnte Amy uns aufgrund eines Kahnbeinbruches nicht begleiten, und so packte ich u.a. den Rene, mit dem ich damals das Vorstellungsgespräch im Miniaturwunderland geführt habe und der mittlerweile eine guter Freund und Segelkumpan ist, ein um nach Holland aufzubrechen und unser erstes eigenes Schiff zu kaufen. Ich war natürlich höllisch aufgeregt und voller Vorfreude, da sich somit mit größter Lebenstraum erfüllen sollte. Schon die Fahrt nach Muiderzand war ein Erlebnis, Joachim hatte einen unfaßbar guten, selbstgebrannten Birnenschnaps dabei, Malte und Rene machten sich ein Fest daraus den Brückenschluck einzuführen und bei jeder Brücke, die wir überfuhren, Schnaps auszugeben… zum Glück gibts ja nicht sooo viele Brücken in Holland… Natürlich habe ich mich da weitestgehend rausgehalten, wollte ich doch keine dummen Fehler bei den Endverhandlungen und der Vertragsausfertigung machen.

Nachdem wir das Schiff nochmal geslippt haben, um den Rumpf von unten genauer zu inspizieren und nach Anzeichen von Osmose oder Laminatschäden Ausschau zu halten, war die Sache gemacht und ich fix und fertig… Der Abend war dann auch schnell rum, ich mein ich war vorher schon erledigt aber nachdem das Bierfass angestochen war und die restliche Birne auf den Tisch kam, war der Drops dann recht schnell gelutscht. Am nächsten Tag wurde noch einiges nachgekauft (Gas, der eine oder andere Schäckel, eine elektr. Lenzpumpe) und dann ging die wilde Fahrt los. Hier mal eine Kartenübersicht der Route, die weiß Gott nicht ganz anspruchslos ist. Die ersten zwei Tage waren wunderbar, sich bei frischem Wind und heiterem Sonnenschein an das neue Schiff zu gewöhnen, sich mit der Deckseinrichtung vertraut zu machen und ein Gefühl zu entwickeln und mit der Crew Segelmanöver trainieren zu können war wichtig. Das Markermeer und das IJsselmeer sind gut geschützete Binnen-Brackwasser-Seen mit durchweg geringen Wassertiefen und vielen Häfen. Das war schön und lustig, das Wasser roch angenehm nach Süßwasser und auch vom Feeling her war das schönstes Binnensee Segeln. Die beiden Schleusen waren auch so eine Erfahrung für sich, in Holland ist sich anscheinend in der Schleuse jeder selbst der nächste, ganz gleich ob Berufsschifffahrt, Traditionsschiffe oder Sportboote, alle verhalten sich wie die absoluten A***löcher aber was soll´s, wenn´s sein muss kan ich alle gegen alle auch ganz gut. Ab kurz vor Den Oever ändert sich das Feeling langsam, das Wasser beginnt nach Nordsee zu riechen und irritierender Weise hören wir den ganzen Tag über immer wieder Hilferufe auf UKW von Jachties draussen auf der Nordsee. Es baut sich langsam etwas Spannung auf, ausser mir hat nur noch Joachim ein bisschen Nordseeerfahrung, bei einem wird das Gesicht eher lang. Nordsee ist Mordsee hört man öfter dieser Tage. Und dann ist´s soweit, von Den Oever Schleusen wir aus in die Nordsee, in dieses giftige Tidenrevier wo der Tod an jeder Ecke lauert… naja, ganz so schlimm sind die Vorurteile nicht, und schließlich nimmt man ganz erstaunt zur Kenntnis, dass das alles gar nicht so schlimm ist und wir doch eine gewisse Chance haben, den Mordsee zu überleben 🙂
Tagesziel war Den Helder, dort ist dann auch Joachim von Bord gegangen und Robert Schoenicke an Bord gekommen. Robert ist seit 25 Jahren gewerblicher Skipper und hat seine eigene Jachtüberführungsagentur (Skipperteam Schoenecke), ein erfahrener und revierkundiger Mann. Und genau das brauchten wir für diesen Törn, denn von Den Helder nach Cuxhafen entlang der friesischen Inseln gibt es kaum Häfen, wo wir mit einem Tiefgang von 2 m rein kommen, und die wenigen vorhandenen (Vliehland, Borkum, Norderney) liegen auch distanztechnisch eher ungünstig zueinander. Deshalb wollen wir die knapp 180sm am Stück machen, damit man sich nicht nachts durch irgendein Seegat quälen muss, denn es ist mittlerweile Mitte Oktober und das Wetter kann jederzeit umschlagen. Robert kommt nicht als Skipper, sondern als 4.ter Mann an Bord, der mich als Skipper durch seine Revierkenntnis sinnvoll beraten und unterstützen wird. Und so geht die Wilde Fahrt dann los, munter Laufen wir mit Robert, bzw. Kptn Iglu wie wir Ihn liebevoll nennen, mit der Tide aus. Um nicht unnötig lange von der nonstop Strecke zu schwafeln hier kurz die Fakten der Überfahrt: Wind gute 5-6 aus N, mittlere Wellenhöhe ca. 4 m, vereinzelt deutlich höher. Ca. 2 Stunden vor Einbruch der Dämmerung gehen wir ins Wachsystem über, Rene und ich haben die erste Wache, Kptn Iglu und Malte gehen pennen. Die Wache verläuft ohne besondere Vorkommnisse, im letzten Drittel der Wache stoßen wir langsam auf die küstenwärtige Betonnung des VTGs, an denen wir uns bis zur Emsmündung entlang hangeln werden da sie durchgehend befeuert sind. Irgendwann ist dann Wachwechsel und wir legen uns erschöpft aber aufgedreht hin und versuchen etwas Schlaf zu finden, was bei dem heftig in den Seen arbeitendem Rumpf nicht ganz einfach ist. Nach ca. 3 h werde ich geweckt, wir haben kaum noch Strom da wir anscheinend Kriechströme haben (das Amperemeter zeigt 8 A an, rein rechnerisch dürften es max. 3 sein…) Motor läßt sich auch mit in Reihe geschalteten Batterien nicht mehr starten, beschließen weiter durchzusegeln, was schön aber anstrengend ist so ohne durchgängige Kompassbeleuchtung, ohne beleuchtete Windanzeige… Steuern nach Gefühl halt, nach dem Winkel der Wellen und dem Druck im Ruder. Trotzdem, und trotz zunehmender Winde traumhaftes Nachtsegeln, Rauschefahrt! Unterwegs ein Manöver des letzten Augenblicks, weil ein blöder A****loch-Fischer uns gerne rammen möchte…gesehen hat er uns auf jeden Fall, ich habe mit starken LED Taschenlampen Heck und Buglicht improvisiert, zwar vorschriftswidrig aber hey, es geht darum gesehen zu werden. Bei Annäherung schalten wir zusätzlich das Toplicht mit ein, das wir sonst aus Stromspar-Gründen auslassen. Wie auch immer, in dieser Nacht habe ich mich endgültig in dieses Schiff verliebt, wie sie im Ruder liegt, die Wellen nimmt, die Beschleunigung, wie sie surft und wie präzise man die Wellen aussteuern kann… ein Traum ist wahr geworden, auch wenn der Zustand z.B. der Elektroanlage schlimmer war, als die Begutachtung vorher vermuten ließ. Insgesamt werden noch horrende Kosten auf uns zukommen, wie wir später erfahren aber das ist immer das Risiko bei einem Gebrauchtjachtkauf. So werden wir in der Werft, die in Wedel unser Ziel für den Winter ist (Yachtlackierung Wrede), nachdem das Unterwasserschiff im Rotoblast-Verfahren abgestrahalt und nackt ist, erfahren, dass wir zwar keine Osmose haben aber trotzdem zwecks Werterhalt für die nächsten 20 Jahre nochmal mit Epoxy nachlaminieren. Ein unfaßbar teures Vergnügen, aber es hat sich gelohnt das neue Unterwasserschiff ist der pure Sex 🙂 Naja, und jetzt wartet noch das eine oder andere Großprojekt auf uns:
Da ich es für wenig sinnvoll erachte, in einer alten, laienhaft gewachsenen Elektroinstallation nach dem Grund für den Kriechstrom zu suchen, werde ich die gesamte Installation rausreißen und eine neue Gleichstromanlage installieren. Dann stehen noch die komplett neue Bepolsterung auf dem Zettel, die wir selbst machen inkl. Bezüge nähen, es müssen neue Fallenumlenkungen und Fallenstopper installiert werden, der Mast wird gerade bei Riggtech von Nobert Dittmer überarbeitet, der auch das gesamte stehende Gut erneuern und modernisieren wird, das Großsegel muss nochmal zum Segelmacher (ein kleiner Schaden im Bereich der Kopfplatte) und von allen Segeln muss die Holländische Segelnummer abgepuhlt werden… Und das ganze muss bis Anfang April 2011 durch sein, weil wir das Schiff dann in die Ostsee überführen wollen. Wir nennen Sie übrigens momentan bewußt nur „das Schiff“, denn wir werden den alten, unfaßbar prollig-doofen Namen (Maxaccellerate) ablegen, und Ihr einen richtigen Namen mit Seele geben. Und dann haben wir endlich unser eigenes Schiff, auf eigenem Kiel unterwegs und das bei besten Segeleigenschaften und wenig Kompromissen an Deck und viel Komfort unter Deck. Ich bin mittlerweile sehr froh, diesen Weg gemeinsam mit meiner Süßen zu gehen, denn ich möchte meinen weiteren Weg eh mit Ihr gehen und da ist das nur ein logischer erster Schritt, der noch mehr verbindet und das Vertrauen ineinander noch weiter stärkt. Ich bin überglücklich und gespannt, was wir in nächster Zeit alles erleben werden. Ihr hört dann von mir…